Weil den NHK 2010 in München der Realitätsbezug fehle, hat sich der Gutachterausschuss München für einen Sonderweg entschieden und leitet die Sachwertfaktoren unter Verwendung regionalisierter NHK 2010 ab. Welche Folgen haben solche Sonderwege z.B. für die steuerliche Wertermittlung oder die vereinfachte Beleihungswertermittlung bei Kleindarlehen?
Der Sonderweg des Gutachterausschusses München
Im Mai 2014 hat der Gutachterausschuss München in seinem Immobilienmarktbericht 2013 Sachwertfaktoren für Einfamilienhausgrundstücke veröffentlicht, die im NHK 2010-Modell abgeleitet worden sind. Bei der Ableitung dieser Sachwertfaktoren hat der Gutachterausschuss nach eigenen Angaben einen Sonderweg beschritten. Denn er hat bei der Ableitung der Sachwertfaktoren – anders als von der Sachwertrichtlinie empfohlen – die NHK 2010 an die regionalen Baupreisverhältnisse angepasst.
Die Hintergründe
Im Rahmen des Immobilientags der Sachverständigen, der am 18. Juli 2014 vom LVS Bayern veranstaltet wurde, hat Helmut Thiele, Vorsitzender des Gutachterausschusses München und fachlicher Beirat des LVS Bayern, die Hintergründe dieses Sonderwegs erläutert. Zu kritisieren sei der mangelnde Realitätsbezug der Normalherstellungskosten NHK 2010, die insbesondere für Hochpreisgebiete wie München nicht annähernd den tatsächlichen Verhältnissen entsprächen. Sofern es wie bei den Normalherstellungskosten NHK 2000 noch Korrekturfaktoren für Ortsgröße und Region gäbe, könnte das Problem zumindest annähernd geheilt werden. Gerade dies sieht die Sachwertrichtlinie jedoch nicht mehr vor. Der Wegfall der Baujahresklassen käme erschwerend hinzu. Die von den Gutachterausschüssen zu ermittelnden Sachwertfaktoren sollen hier Abhilfe schaffen und beinhalten damit neben der
Marktanpassung also auch die Anpassung an regionale Kostenverhältnisse. In München hätte dies jedoch zur Folge, dass teilweise mit Anpassungen in einer Größenordnung von 60 – 70% auf den vorläufigen Sachwert zu rechnen wäre. Das sei dem Leser eines Gutachtens schlichtweg nicht mehr vermittelbar. Aus diesem Grunde habe sich der Gutachterausschuss München für einen Sonderweg entschieden. So würden die Normalherstellungskosten nach wie vor zunächst mit einem Regionalfaktor angepasst. Auf diesen bereits an regionale Verhältnisse angepassten Sachwert können dann die Sachwertfaktoren angewendet werden. Der Regionalfaktor beträgt laut Immobilienmarktbericht für 2013 1,353.
Die Ergebnisse
Insgesamt wurden 138 Kaufverträge aus dem Jahr 2013 ausgewertet. Obwohl der Gutachterausschuss die regionalen Baupreisverhältnisse bereits im NHK-Ansatz berücksichtigt hat, liegen die Kaufpreise im Mittel immer noch 22 % über den ermittelten vorläufigen Sachwerten. Nur für Objekte mit Substanzwerten größer 1 Mio. Euro hat der Gutachterausschuss Sachwertfaktoren ermittelt, die in der Nähe von 1,0 liegen.
Viele Sonderwege
Der Gutachterausschuss München ist nicht der einzige Ausschuss, der Probleme mit der Umsetzung der Sachwertrichtlinie sieht und deshalb einen Sonderweg einschlägt. Viele andere Gutachterausschüsse weichen von den in der Sachwertrichtlinie empfohlenen Modellvorgaben ab. Dies erschwert in vielen Fällen die Anwendung dieser Faktoren erheblich bzw. macht sie unmöglich oder führt sogar zu erheblichen Fehlbewertungen.
Beispiel: Steuerliche Wertermittlung
So sind z.B. die Finanzämter angehalten bei der Ermittlung der Grundbesitzwerte von Einfamilienhausgrundstücken für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer vorrangig die von den Gutachterausschüssen für das Sachwertverfahren bei der Verkehrswertermittlung abgeleiteten Sachwertfaktoren anzuwenden (§ 191 BewG). Stehen im Bewertungsfall keine geeigneten Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse zur Verfügung, gelten die in Anlage 25 BewG geregelten Wertzahlen (Bundesdurchschnittswerte). Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse sind als geeignet anzusehen, wenn deren Ableitung weitestgehend in demselben Modell erfolgt ist wie die Bewertung nach den §§ 189, 190 BewG. Bei erheblichen Modellabweichungen sind die Sachwertfaktoren also für die steuerliche Wertermittlung nicht geeignet. Die vielen Sonderwege der Gutachterausschüsse machen es der Finanzverwaltung quasi unmöglich, in Zukunft deutschlandweit mit lokal abgeleiteten Bewertungsdaten zu arbeiten. In der Folge wird dort auf Bundesdurchschnittswerte ausgewichen, die in vielen Fällen Grundbesitzwerte ergeben, die erheblich von den realen Marktwerten abweichen.
Beispiel: Vereinfachte Wertermittlung nach § 24 BelWertV
Auch für die Beleihungswertermittlung ergeben sich durch die vielen Modellvarianten erhebliche Herausforderungen. Denn hier sind oft von geschulten Bankmitarbeitern (nicht Gutachtern) die Sachwerte von Einfamilienhausgrundstücken deutschlandweit zu ermitteln. Oft werden hierzu die Sachwertfaktoren herangezogen, die von den Gutachterausschüssen abgeleitet werden. Nur selten sind dabei die Modellbesonderheiten den Bewertern bekannt. Selbst wenn sie bekannt sind, sind die Bewerter oft mit der zur Verfügung stehenden Software nicht in der Lage, diese Besonderheiten sachgemäß zu berücksichtigen. In der Folge ergeben sich häufig falsche Markt- und Beleihungswerte.
Die Alternative
Gerade in den skizzierten Fällen bieten Sachwertfaktoren, die wie im Falle der Sprengnetter-Sachwertfaktoren deutschlandweit in einheitlichen Modellen abgeleitet werden, erhebliche Vorteile.