Sind die Kaufpreise den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse zu entnehmen?

Der neueste Entwurf der Vergleichswertrichtlinie weist in Nummer 3.1 darauf hin, dass Kaufpreise den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte zu entnehmen sind. Das gleiche gilt für Vergleichsfaktoren. Auch diese sind gemäß Nr. 5 der Vergleichswertrichtlinie vorrangig von den Gutachterauschüssen zu beziehen.

Der aktuelle Entwurf der „Richtlinie zur Ermittlung des Vergleichswerts einschließlich der Ermittlung des Bodenwerts (Vergleichswertrichtlinie – VW-RL)“ vom 15. Februar 2013 regelt zur Herkunft der Vergleichskaufpreise in Nr. 3.1 Abs. 1, dass zur Ableitung von Vergleichspreisen die Kaufpreise den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte zu entnehmen sind.

Kaufpreise aus anderen Datensammlungen können gemäß Nr. 3.1 Abs. 2 nur „hilfsweise oder zusätzlich“ herangezogen werden, wenn sie hinsichtlich Aktualität, Vollständigkeit der Beschreibung der Vergleichsgrundstücke und Repräsentativität den maßgeblichen Grundstücksmarkt zutreffend abbilden.

Das gleiche gilt für Vergleichsfaktoren und ausgleichende mehrdimensionale Schätzfunktionen. Diese sind gemäß Nr. 5 der VW-RL entsprechend Nr. 3.1 der VW-RL „vorrangig“ von den Gutachterausschüssen zu beziehen.

Auch zur Bodenwertanpassung ist gemäß Nr. 3.2.3.2 und Nr. 3.2.3.3 „in der Regel“ auf Umrechnungskoeffizienten zurückzugreifen, die vom zuständigen Gutachterausschuss oder anderen Gutachterausschüssen für vergleichbare Gebiete abgeleitet wurden.

Was meint die Richtlinie mit „hilfsweise“?

Mögliche Interpretationen:

  1. Kaufpreise aus anderen Datensammlungen können anstelle von Kaufpreisen aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse herangezogen werden… (Das würde bedeuten, der Sachverständige hätte die Wahl. Die Kaufpreise aus anderen Datensammlungen wären grundsätzlich gleichwertig mit den Kaufpreisen aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse.)
  2. Kaufpreise aus anderen Datensammlungen können zur Not herangezogen werden… (Das würde bedeuten, dass vorrangig die Kaufpreise von den Gutachterausschüssen zu beziehen seien. Die Kaufpreise aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse wären also den Kaufpreisen aus anderen Datensammlungen grundsätzlich vorzuziehen.)

Aus der Regelung zur Herkunft der Vergleichsfaktoren in Nr. 5 der VW-RL („Vergleichsfaktoren … sind entsprechend Nummer 3.1 vorrangig von den Gutachterausschüssen zu beziehen.“) ist zu schließen, dass wohl die 2. Interpretation zutreffend ist. Das bedeutet, in jedem Einzelfall wäre zu prüfen, ob der zuständige Gutachterausschuss oder andere Gutachterausschüsse für vergleichbare Gebiete  geeignete Kaufpreise, Vergleichsfaktoren und Umrechnungskoeffizienten bereit stellen können. Nur wenn dies nicht möglich ist, könnte auf andere Datensammlungen ausgewichen werden.

Die Richtlinie schießt deutlich über’s Ziel hinaus!

Damit geht der Entwurf der Vergleichswertrichtlinie deutlich weiter als die ImmoWertV. Die ImmoWertV regelt nur die Anforderungen, die an die herangezogenen Vergleichskaufpreise, Vergleichsfaktoren und Umrechnungskoeffizienten zu stellen sind. Die Herkunft der Daten wird nicht geregelt.

Warum auch? Warum soll in jedem Einzelfall der Gutachterausschuss mit einer Datenanfrage belastet werden? Sind die Gutachterausschüsse überhaupt für die Flut an Anfragen ausreichend personell ausgestattet? Warum soll der Sachverständige nicht auf seine eigene, womöglich über Jahrzehnte aufgebaute und gepflegte Datensammlung vorrangig zugreifen dürfen? Warum sollen große Institutionen (Banken, Gemeindeverwaltungen etc.) nicht vorrangig auf die eigenen Transaktionsdatenbanken zugreifen?

Kaufpreise aus eigenen Datensammlungen sind oft die erste Wahl!

Geht die Arbeitsgruppe, die den Entwurf der Richtlinie erstellt hat, wirklich davon aus, dass die Kaufpreise aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse grundsätzlich besser geeignet sind als die Kaufpreise aus anderen, z.B. eigenen Datensammlungen? Dies, obwohl die Objekte in den eigenen Datensammlungen der Sachverständigen oft kaufzeitpunktnah von innen und außen besichtigt wurden und den Sachverständigen sämtliche wertrelevanten Informationen zu diesen Objekten vorliegen. Der Gutachterausschuss kann hingegen die wertrelevanten Merkmale der verkauften Objekte oft nur lückenhaft erkunden. So verschickt er hierzu Fragebögen an Laien, besichtigt die Objekte oft erst ein oder zwei Jahre nach Verkauf – also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Käufer ggf. schon modernisiert hat. Außerdem wird oft nur von außen besichtigt.

Gemäß Nr. 3 der VW-RL sind Kaufpreise zur Ableitung der Vergleichspreise geeignet, wenn diese hinsichtlich ihrer wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale (§§ 5 und 6 ImmoWertV) mit dem Wertermittlungsobjekt hinreichend übereinstimmen und nicht nach § 7 ImmoWertV unberücksichtigt bleiben müssen. Ob die Übereinstimmung gegeben ist und somit die Kaufpreise geeignet sind, kann der Sachverständige am besten beurteilen, wenn er die Vergleichsobjekte kennt und ihm alle wertrelevanten Merkmale zu diesen Objekten bekannt sind. Dies ist i.d.R. nur bei Kaufpreisen aus der eigenen Datensammlung uneingeschränkt gegeben. Insofern sind diese Kaufpreise für ihn die erste Wahl und für eine ImmoWertV-konforme Marktwertermittlung am besten geeignet.

Was will die Richtlinie eigentlich?

Will man mit der Richtlinie den Bewertungsprozess in Bundesbehörden standardisieren? Dann würde es Sinn machen, den einzelnen handelnden Personen Leitplanken zu setzen und die Herkunft der Daten im Sinne einer Prozessoptimierung zu regeln.

Oder will man einen allgemeinen Standard setzen, der – wie in Nr. 1 Abs. 4 der VW-RL geregelt – für alle in der Grundstückswertermittlung Tätigen gelten soll? Also auch für hoch qualifizierte Sachverständige, die in der Lage sind zu prüfen, ob die auch aus anderen Datenquellen herangezogenen Kaufpreise, Vergleichsfaktoren und Umrechnungskoeffizienten im Sinne der ImmoWertV geeignet sind.

Letzteres ist wohl der Fall.

In einigen Bundesländern wird der Zugriff auf die Kaufpreise in den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse durch Landesverordnungen eingeschränkt. Oft haben nur Behörden, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige und zertifizierte Sachverständige uneingeschränkten Zugang zu diesen Daten. Wenn sich die Richtlinie an alle in der Grundstückswertermittlung Tätigen richtet, dann muss sie diese Einschränkungen berücksichtigen und den Sachverständigen, die keinen ausreichenden Zugang zu den Daten der Gutachterausschüsse haben, eine gleichwertige Alternative eröffnen.

Die Richtlinie sollte ImmoWertV-konform ausgestaltet werden!

Wenn sich die Richtlinie an alle in der Grundstückswertermittlung Tätigen wendet, sollte sie ImmoWertV-konform ausgestaltet sein. Sie sollte die Regelungen der ImmoWertV erläutern und weiter ausfüllen. Keinesfalls sollte sie über die Regelungen der ImmoWertV hinaus gehen. Dies ist jedoch im Entwurf der Richtlinie derzeit der Fall.

Empfehlungen

Der Charakter der Richtlinie (Hinweise, nicht bindend) sollte sich auch in der entsprechenden Wortwahl niederschlagen. Anstelle von Muss-Vorschriften sollten Soll-Vorschriften aufgenommen werden. Dann würde z.B. Nr. 3.1 Abs. 1 Satz 1 VW-RL lauten: „Zur Ableitung von Vergleichspreisen sollen die Kaufpreise den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte entnommen werden.“

Die Verwendung der Daten sollte – wie in der ImmoWertV geregelt – nur von der Eignung und nicht von der Herkunft abhängig gemacht werden. Dann würde z.B. Nr. 3.1 Abs. 2 VW-RL in Anlehnung an die Regelung in § 15 Abs. 2 ImmoWertV lauten: „Neben oder anstelle von Kaufpreisen aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse können geeignete Kaufpreise aus anderen Datensammlungen herangezogen werden. Kaufpreise sind geeignet, wenn …“

Download des aktuellen Entwurfs

Den Entwurfsstand der Vergleichswertrichtlinie vom 15.02.2013 finden Sie hier.

Ausblick

In der in Kürze erscheinenden Ausgabe 1/2013 der Fachzeitschrift „immobilien & bewerten“ wird der aktuelle Entwurfsstand der Vergleichswertrichtlinie ausführlich dargestellt und besprochen.

 

 

 

13 Kommentare

  1. Als Sachverständiger in Bayern sehe ich den Formulierungen der Vergleichswertrichtlinie gelassen entgegen. Es ist nicht davon auszugehen, dass in den nächsten 50 Jahren bayerische Gutachterausschüsse in der Lage sein werden, verwertbare Vergleichspreise (außer eventuell für Bodenwerte) zu generieren. Hierzu wird ihnen kaum das erforderliche Geld und damit das erforderliche Personal, wie bisher, nicht zur Verfügung gestellt werden.

  2. Sehr geehrter Herr Kierig,
    vielen Dank für das Zusenden Ihres Kommentars zu dem Entwurf der Vergleichswert-Richtlinie.
    Warum sollte die neue Vergleichswertrichtlinie eine größere Einschränkung bringen, als die Regelungen in der Immo Wert V (vgl. Immo Wert V§ 9)?
    „§9 Grundlagen der Ermittlung: ..und sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten, sind insbesondere aus der Kaufpreissammlung …zu ermitteln.“
    Kaufpreise bzw. Daten sollen vorrangig aus der Kaufpreissammlung stammen, auch andere fundierte Quellen dürfen hinzugezogen werden.

    Es ist bei der neuen Vergleichswert-Richtlinie darauf zu achten, dass die Einschränkungen nicht soweit gehen, dass bei einer nicht hinreichend genügend großer Anzahl von Kaufpreisen, auch Daten von vergleichbaren Lagen nicht genutzt werden dürfen.

    Anderseits würde mich das Ergebnis einer Umfrage interessieren, wie viele Gutachter im konkreten Fall einer Vergleichskaufpreisermittlung, nicht das Datenmaterial (Vergleichskaufpreise der letzten drei Jahre) eines Gutachterausschusses erfragen bzw. die eigene Kaufpreissammlung überprüfen (vgl. § 195 BauGB, Satz 1).
    Mit freundlichen Grüßen

    Anne-Kristin von Jasienicki

    1. Sehr geehrte Frau von Jasienicki,

      in der Tat schreibt die ImmoWertV in § 9 Abs. 1 vor, dass Bodenrichtwerte und sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten insbesondere aus der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses auf der Grundlage einer ausreichenden Zahl geeigneter Kaufpreise unter Berücksichtigung der allgemeinen Wertverhältnisse zu ermitteln sind. Diese Regelung wendet sich m.E. vorrangig an die Gutachterausschüsse, deren (Haupt)Aufgabe es gemäß § 193 Abs. 5 BauGB ist, eine Kaufpreissammlung zu führen, auszuwerten und Bodenrichtwerte sowie sonstige zur Wertermittlung erforderliche Daten zu ermitteln. Dass diesem gesetzlichen Auftrag nicht immer voll entsprochen werden kann, ist den anderen Kommentaren zu den Verhältnissen in Bayern leicht zu entnehmen.

      Ich meine jedoch nicht, dass die ImmoWertV durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 9 Abs. 1 den Kaufpreisen aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse Vorrang einräumt. Vielmehr wird hier der Regelfall beschrieben. Nicht jedoch, dass der Sachverständige in jedem Einzelfall diese Kaufpreise zu verwenden hat und nur dann auf alternative Datenquellen ausweichen darf, wenn die Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse versagen.

      Es geht mir in meinem Beitrag nicht um den Regelfall. Mir ist klar, dass es in vielen Regionen Deutschlands sachgemäß und auch in der Praxis üblich ist, i.d.R. bei der Bewertung auf Kaufpreise und erforderliche Daten der Gutachterausschüsse zurückzugreifen. Mir geht es vielmehr um den Einzelfall. Im Einzelfall muss man als Sachverständiger entscheiden können, welche Daten für die Wertermittlung heranzuziehen sind. Und diese Entscheidung muss von der Eignung und nicht von der Herkunft der Daten abhängen.

      In vielen Ländern ist die Kaufpreissammlung top secret. So heißt es z.B. in § 11 Abs. 1 der Gutachterausschussverordnung Bayern, dass die Kaufpreissammlung einschließlich der übersandten Unterlagen geheim zu halten ist. Sie darf nur von den Mitgliedern des Gutachterausschusses und den Bediensteten der Geschäftsstelle ausschließlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben eingesehen werden. Gemäß Abs. 2 sind auf Antrag (anonymisierte) Auskünfte aus der Kaufpreissammlung zu erteilen, soweit ein berechtigtes Interesse hieran nachgewiesen wird. Vom Vorliegen eines berechtigten Interesses darf in der Regel ausgegangen werden, wenn die Auskunft von mit der Wertermittlung an Grundstücken befassten Behörden oder von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, die mit der Wertermittlung von Grundstücken befasst sind, für eine Wertermittlung beantragt wird. Aufgrund dieses eingeschränkten Zugangs zu den Informationen der Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse sind die Kaufpreise aus diesen Datensammlungen oft zweite Wahl. Der Schutz der Daten führt nämlich oft dazu, dass der Sachverständige nicht entscheiden kann, ob die Grundstücksmerkmale der Vergleichsfälle hinreichend mit denen des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmen. Mit anderen Worten, er ist nicht in der Lage die Eignung der Daten im Sinne der ImmoWertV zu überprüfen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Jochem Kierig

  3. Ich bin selber in einer Geschäftsstelle eines GAA tätig. Derzeit ist die personelle Ausstattung der Geschäftsstellen in Bayern derart mangelhaft, das bis auf sehr wenige Ausnahmen künftig keine Vergleichsfaktoren für Ein- und Zweifamilienwohnhäuser, Umrechnungskoeffizienten usw. ermittelt werden. Eine Ortsbesichtigung dürfte kaum durchführbar sein. Sollten die Geschäftsstellen personell besser ausgestattet werden, so muss für eine qualifizierte Einarbeitung ein Zeitraum von 2-3 Jahren gerechnet werden. Daher wird sich in Bayern in den nächsten Jahren nichts ändern. Wir sind bemüht, wenigstens die Kaufpreissammlung ordentlich zu führen. Auswertungen? Fehlanzeige!

    Von den ca. 100 Gutachterausschüssen in Bayern veröffentlicht nur ein geringer Teil einen Grundstücksmarktbericht. Eine Ableitung sonstiger Daten für die Wertermittlung findet de facto nicht statt. Hierbei liegt es nicht an dem Willen der Mitarbeiter in den Geschäftsstellen, sondern an der örtlichen Politik, die die Notwendigkeit eines transparenten Immobilienmarkt verkennt und nicht ausreichend Personal zur Verfügung stellt.

  4. Sehr geehrter Herr Kierig, Sehr geehrte Kollegen

    Zwei Vorschläge stehen sich gegenüber:
    A Vergleichspreise sind regelmäßig den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse (vgl. Muster der Vergleichswert-Richtlinie, Pkt. 4.1 Stand 23.07.2012) zu entnehmen….;
    B Daten, u.a. Vergleichspreise unabhängig Ihrer Herkunft, dürfen nach Prüfung auf Eignung durch den Sachverständigen, z.B. bei einem Vergleichskaufpreis- bzw. einem Vergleichsfaktorverfahren genutzt werden;

    M. E. scheint es sinnvoll einen Kompromiss, (als Zusammenfassung der Punkte 4.1und 4.2 des Musters der Vergleichswert-Richtlinie Stand 23.07.2012) zu entwickeln.
    Zum Beispiel:
    C Alle zur Verfügung stehenden Kaufpreise, u.a. die der Gutachterausschüsse, sollen durch den Sachverständigen auf Eignung für eine Bewertung überprüft werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Anne-Kristin von Jasienicki

  5. Hallo Frau von Jasienicki,

    Ihre Variante C ist m. E. weder ein Kompromiss, noch bedarf es dafür einer (erneuten) Regelung durch die VW-RL. Bevor Kaufpreise für die Ableitung von Vergleichspreisen herangezogen werden, sind sie gleich welcher Herkunft immer auf ihre Eignung für den jeweiligen Bewertungsauftrag zu prüfen! Das entspricht dem Regelungswillen des Verordnungsgebers, u. a. durch Maßgabe in § 15 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV.

    Herr Kierig hat m. E. zu Recht auf ein anderes Problem hingewiesen.
    Es gehört zwar zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte für ihren örtlichen Marktbereich eine Kaufpreissammlung zu führen, sie auszuwerten und daraus Marktdaten zu ermitteln. Die Regeln und Methoden zur Auswertung der Kaufpreissammlung sowie die Veröffentlichung von abgeleiteten Marktdaten sind jedoch bundesweit nicht einheitlich geregelt; sie unterliegen, außer für Bodenrichtwerte, dem jeweiligen Landesrecht.
    Insofern entsteht bereits ein Widerspruch zur Maßgabe nach ImmoWertV, wenn das jeweilige Landesrecht die Weitergabe von Kaufpreisen aus der Kaufpreissammlung nur mit solchen Beschränkungen zulässt, die eine pflichtgemäße Prüfung ihrer Eignung durch den Sachverständigen nicht ermöglicht.
    Der Entwurf zur VW-RL verstärkt in dieser Beziehung die bereits bestehenden Unklarheiten, indem hier dezidiert auf die Kauffälle aus der Kaufpreissammlung der GAA abgestellt wird, deren Eignung ggf. durch den Sachverständigen nicht geprüft werden kann.

    Beste Grüße
    Jantz

    P.S.: Zum Glück sind die meisten GAA so kollegial, dass diese Regelungslücke den SV in der täglichen Arbeit nur „peripher tangieren“ kann – und die, die sich hartnäckig einer kollegialen Zusammenarbeit widersetzen, wollen sowieso etwas anderes schützen als die Daten.

  6. als Sachverstänidger der überwiegend in Baden-Württemberg tätig ist, sind die Möglichkeiten geeignete Vergleichsdaten von den Gutachterausschüssen zu bekommen bis auf wenige Ausnahmen nicht realistisch. Aber die Vergleichswertrichtlinien sollen ja für das gesamte Bundesgebiet gelten. Deshalb sollten wir uns gegen diesen Teil der Vergleichswertrichtlinien zur wehr setzen. Es darf nicht sein, dass die Gutachterausschüsse ein Monopol für in der Wertermittlung extrem wichtige Datenrecherchen erhalten und damit unsere jahrelange Arbeit und aufgebauten Datenbanken hinfällig werden.
    Ich sehe die Gefahr, dass hiemit der erste Schritt getan wird, im weiteren Schritten werden wir, die freien Sachverständigen, nicht mehr gebraucht.

  7. Auf das Problem, dass die Möglichkeiten zur Einsichtnahme in die Kaufpreissammlung in den Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt ist, hat übrigens auch der BVS in seiner Stellungnahme zur VW-RL hingewiesen. Dort heißt es: “ Von einer vollständigen Datenübermittlung für öffentlich bestellte und vereidigte oder zertifizierte Sachverständige nach ISO 17024 (in Berlin sogar Online) bis zur vollständigen Verweigerung der Auskunftserteilung ist das gesamte Spektrum vertreten. Es liegt auf der Hand, dass eine sinnvolle Anwendung der Vergleichswertrichtlinie in einigen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen nicht möglich ist, unabhängig von der Qualität der regionalen Kaufpreissammlung.“ Siehe: http://www.bvs-ev.de/fileadmin/user_upload/downloads/Stellungnahme_zum_Entwurf_der_Vergleichswertrichtlinie.pdf (Abschnitt „Einsichtnahme in die Kaufpreissammlung)

    Auch der VÖB setzt sich in seiner Stellungnahme kritisch mit der vorgeschriebenen Herkunft der Kaufpreise auseinander. Der VÖB deutet die Formulierung der ersten Entwurfsfassung als Öffnungsklausel, wonach auch Vergleichspreise aus anderen Datensammlungen herangezogen werden können, als zu der Zugrundelegung der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte gleichrangig. Der VÖB schreibt weiter: “ Eine kumulative Heranziehung von Vergleichspreisen aus anderen Datensammlungen wäree aus unserer Sicht nicht vertretbar und würde das Bewertungsergebnis nicht verbessern. Wir bitten um eine Klarstellung des Richtlinienentwurfes, dass alternativ zu den Kaufpreissammlungen auch andere Datensammlungen zulässig sind.“ Siehe: http://www.voeb.de/de/themen/immobiliengeschaeft/vergleichswertrichtlinie/

    Der ZIA schreibt in seiner Stellungnahme zur Vergleichswertrichtlinie: „Die Voraussetzungen bei den Gutachterausschüssen in der Praxis werden unseres Erachtens jedoch unzutreffend eingeschätzt, so dass zu befürchten steht, dass die Gutachterausschüsse die ihnen zugedachte prominente Rolle nicht werden ausfüllen können.“ Siehe: http://www.zia-deutschland.de/themen/bilanzierung-und-bewertung/bewertung-vergleichswertrichtlinie/

    Die Fachwelt scheint sich also einig zu sein! Leider hat die für die Richtlinie zuständige Arbeitsgruppe auf die Forderungen der Fachkreise noch nicht entsprechend reagiert. Es bleibt zu hoffen, dass dies in der für Ende April erwarteten Endfassung noch passiert.

  8. Sehr geehrter Herr Kierig,

    die Vergleichswertrichtlinie bringt an der von Ihnen zitierten Stelle m. E. zu Recht zum Ausdruck, dass zunächst die Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse für eine Vergleichswertermittlung heranzuziehen sind. Denn die Kaufpreissammlung ist die einzige Sammlung, in der – zunächst einmal unabhängig von deren Qualität – bei sachgerechter Führung alle Kaufpreise enthalten sind. Das bedeutet, dass der Sachverständige hier von einer Vollständigkeit der Daten ausgehen kann, während dies bei den „eigenen“ Sammlungen in der Regel nicht der Fall sein wird.
    Jetzt ist es aber auch bekannt, dasss die Daten der Kaufpreissammlungen zwar vollständig sind, aber oft den Qualitätsanforderungen nicht entsprechen, weil z. B. wesentliche Daten in den Kauffällen fehlen. Für diese Fälle eröffnet die Vergleichswertrichtlinie den Weg, dass auf die „eigene“ Datensammlung zurück gegriffen werden kann. Wenn die Kaufpreise der Kaufpreissammlung in Gänze unbrauchbar sind, können Kaufpreise „hilfsweise“ aus dieser Datensammlung herangezogen werden, sind die Kaufpreise der Kaufpreissammlung nur in Teilen brauchbar, können die Daten der „eigenen“ Sammlung „ergänzend“ hinzugezogen werden.
    Die Regelung ist also so zu verstehen, dass aufgrund der Vollständigkeit zunächst die Daten der Kaufpreissammlung einzusehen sind und dann – je nach Brauchbarkeit dieser Daten der Kaufpreissammlung – die „eigene“ Sammlung hilfsweise oder „ergänzend“ hinzugezogen werden kann.

    1. Sie schreiben, „dass aufgrund der Vollständigkeit zunächst die Daten der Kaufpreissammlung einzusehen sind“. Eine Einsichtnahme ist jedoch aufgrund der Bestimmungen in den Gutachterausschussverordnungen zumeist nicht möglich.

      Nr. 3 der VW-RL regelt, dass die Kaufpreise auf eine hinreichende Übereinstimmung mit dem Wertermittlungsobjekt geprüft werden sollen. Nr. 3 nennt auch beispielhaft wichtige Grundstücksmerkmale, die bzgl. der Übereinstimmung beurteilt werden sollen. Dazu zählen u.a. die Lage, die Grundstücksgestalt und der bauliche Zustand. Also Merkmale, die i.d.R. nur dann sachgemäß geprüft werden können, wenn Sie das Vergleichsobjekt (im Moment des Verkaufs) kennen. Was jedoch die Bestimmungen aufgrund der Beschneidung der Einsichtmöglichkeiten oft nicht zulassen.

      Andere wichtige Merkmale, die Nr. 3 nennt, sind z.B. Art und Maß der baulichen Nutzung und die Restnutzungsdauer. Diese ergeben sich nicht unmittelbar aus den Kaufverträgen und müssen deshalb von den Gutachterausschüssen zusätzlich erhoben werden. Wenn das nicht passiert und man die Vergleichsobjekte nicht kennt, dann kann auch diesbezüglich die Vergleichbarkeit nicht beurteilt werden.

      Ich leite nun schon rd. 20 Jahre die für marktkonforme Wertermittlungen erforderlichen Daten aus Kaufpreisen ab. Dabei musste ich immer wieder feststellen, dass Qualität vor Quantität geht. Es kommt also weniger auf die Anzahl sondern vielmehr auf die Qualität der zur Verfügung stehenden Kaufpreise an.

      Ich bleibe deshalb dabei: An erster Stelle steht die Eignung und nicht die Herkunft der Daten, die herangezogen werden sollen.

      Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Auch ich bin der Meinung, dass die Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse eine äußerst wertvolle Quelle für marktkonforme Wertermittlungen sind. Wir können uns in Deutschland wirklich glücklich schätzen, dass es soetwas gibt. Gutachter anderer Länder beneiden uns um eine solche Datensammlung.

      Es geht mir in meinem Blog-Beitrag ausschließlich darum, ob eine Richtlinie allen in der Grundstückswertermittlung Tätigen vorschreiben sollte, woher sie die Daten zu beziehen haben.

      Jeder sollte bei Verwendung des Vergleichswertverfahrens die Eignung der zugrunde gelegten Kaufpreise prüfen und dies in seinen Gutachten nachvollziehbar dokumentieren. Natürlich sollte jeder auch die Quellen angeben. Aber warum sollte man, wenn man die Eignung der Daten und die Quellen dargelegt hat, auch noch ausführen, warum man (ausnahmsweise) nicht die Kaufpreise aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse bezogen hat? Ist das wirklich so wichtig, dass es einer diesbezüglichen Vorgabe einer Richtlinie bedarf? Ich meine, nein!

      1. Guten Tag Herr Kierig,

        ich denke, fachlich sind wir mit unseren Meinungen recht nah beisammen. Sicherlich steht die Eignung der Daten im Vordergrund. Um beurteilen zu können, ob sich die Daten eignen, muss ich aber zunächst alle Daten zur Verfügung haben. Wenn ich dann feststelle, dass die Daten der Kaufpreissammlungen hinsichtlich der Datenqualität unzureichend sind, kann ich diese Kauffälle für einen Vergleich nicht weiter heranziehen und kann dann auf die eigene Datensammlung zurückgreifen.
        Werden bei der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens von vornherein die „eigenen“ Daten verwendet und stellt sich im Nachhinein heraus, dass in der Kaufpreissammlung des örtlichen Gutachterausschusses weitere Kauffälle vorhanden waren, die auch bezüglich der Datenqualität geeignet gewesen wären, dann wird ihre Argumentation bei einer gerichtlichen Überprüfung des Gutachtens kaum haltbar sein.

        1. Hallo Herr Paulik,

          auch ich glaube, dass wir mit unseren Meinungen nah beisammen sind.

          Allerdings argumentieren Sie vorrangig aus der Sicht des Gerichtsgutachters. Ich vesuche jedoch alle in der Grundstückbewertung Tätigen im Blickfeld zu haben. Die Richtlinie wird ja gemäß Nr. 1 Abs. 4 allen in der Grundstückswertermittlung Tätigen zur Anwendung empfohlen.

          Wenn das der Anspruch ist, dann muss die Richtlinie auch so verfasst werden, dass sie von den angesprochenen Kreisen auch praxisgerecht angewendet werden kann.

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